Der Stadtplaner Gustav Oelsner (23. Februar 1879 bis 26. April 1956)
Von Lilja Schopka-Brasch
Vor 70 Jahren starb in Hamburg der Architekt und ehemalige Bausenator von Altona Gustav Oelsner. Untrennbar mit seinem Namen verbunden sind die bunt gesprenkelten Gelbklinkerbauten der Weimarer Zeit in kubischer Form, gestalterisch akzentuiert durch unterschiedliche Anordnung und Färbung der Steine. Nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Exil zurückgeholt, war er zuletzt beratend bei der Planung und Durchführung des Wiederaufbaus des zerstörten Hamburg tätig. Mit seiner Überzeugungskraft, aber auch Kompromissfähigkeit stellte er wichtige Weichen in der Stadtentwicklung der Nachkriegsjahre.
Sein Werk und sein Andenken wurden 1960 in einem von Erich Lüth herausgegebenen "Porträt eines Baumeisters" gewürdigt (Literaturangaben s. u.). Weggefährten und ehemalige Schüler heben seine Bescheidenheit und seinen Teamgeist hervor. In Oelsners darin abgedruckten Reden und Schriften kommt zum Ausdruck, wie wichtig ihm die Lebensqualität der Großstadtbewohner war. So forderte er Zeilenbauten für den Wiederaufbau: "Wohnungsbauten für Kleinwohnungen von Norden nach Süden, so daß Sonne von beiden Seiten, von Osten und Westen, scheint. […] Zwischen ihnen sind Blumen und die Spielplätze für die Kinder und Ruheplätze für die Älteren." Hell und sonnig, umgeben von Grün sollten die Wohnanlagen sein. Das wohl bekannteste Beispiel für die Zeilenbauweise sind die in Gelbklinker ausgeführten Grindelhochhäuser. Zwar geht ihre Planung und Fundamentlegung auf die britischen Besatzungsbehörden zurück, doch gebaut und ausgestaltet wurden sie maßgeblich von Schülern Oelsners. Mit ihren Flachdächern brachten sie die Moderne zurück nach Hamburg.
Die Zeilenbauweise hatte Oelsner schon in den 1920er Jahren in Altona eingeführt, ebenso wie Flachdächer. In der bis 1937 selbständigen Schwesternstadt Hamburgs war Oelsner von 1924 bis 1933 Bausenator und überall ist sein Bestreben erkennbar, die moderne Architektur weiterzuentwickeln und zukunftweisende städtebauliche Lösungen zu finden. Seine stadtplanerischen Reformbestrebungen wurden von dem sozialdemokratischen Bürgermeister Max Brauer unterstützt, der sowohl den Bau öffentlicher Bauten als auch den sozialen Wohnungsbau vorantrieb. Oelsners Gelbklinkerbauten prägten bald das neue Altona. Dies ist sehr anschaulich in dem reich bebilderten zweibändigen Werk "Das neue Altona 1919-1929" zu sehen. Hier wird deutlich, wie Oelsner auch bei bereits geplanten und im Bau befindlichen Projekten eigene Akzente zu setzen vermochte – etwa bei der Steenkampsiedlung.
Lebensqualität für Großstadtbewohner bedeutete für ihn auch eine begrünte Stadt. In seiner Altonaer Zeit konnte er zahlreiche ehemals private Grünflächen für die Öffentlichkeit öffnen und so einen Grüngürtel schaffen, mit Volkspark und Elbwanderweg als Naherholungsgebiete. Nach dem Krieg waren es Binnen- und Außenalster, die mit der Schaffung des Alsterparks zentral waren für sein Grüngürtelkonzept.
Dass er nach dem Krieg seine Kompetenz wieder für deutsche Stadtplanung zur Verfügung stellte, war keineswegs selbstverständlich. Denn sein städtebauliches Engagement fand mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 ein jähes Ende. Oelsner wurde als Bausenator abgesetzt, mit Berufsverbot belegt und schließlich wegen angeblicher Veruntreuung von Baugeldern angeklagt. Zwar wurde er letztendlich freigesprochen, doch wegen seiner jüdischen Abstammung war er zunehmend Repressalien ausgesetzt und verließ schließlich 1939 Deutschland. Er fand in der Türkei Asyl und eine neue Wirkungsstätte. Er war in Ankara stadtplanerisch tätig und wurde später Professor für Städtebau an der Technischen Universität in Istanbul. Erst auf Bitten von Max Brauer, nach dem Krieg Oberbürgermeister von Hamburg, kehrte er schließlich 1949 nach Hamburg zurück.
Oelsner erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Fritz Schumacher Preis. Trotz seiner Verdienste wurde es bald still um ihn. Erst Anfang der 1980er Jahre entdeckte der Kunsthistoriker Christoph Timm ihn wieder. In seiner Dissertation "Gustav Oelsner und das Neue Altona" arbeitete er erstmals das Werk Oelsners wissenschaftlich auf und zeigte Oelsners Bedeutung für die Architektur des "Neuen Bauens". Der Sammelband "Stadtplaner und Architekt der Moderne" beleuchtet weitere biographische Stationen Oelsners und setzt sein Werk in Zusammenhang mit zeitgenössischen Architekten wie Fritz Schuhmancher. Durch neue Wärmedämmungsmaßnahmen an den Fassaden, die das besondere dieser Architektur nicht berücksichtigten, sind einige seiner Bauten heute kaum noch als Oelsner-Bauten zu erkennen. Dies gab Anlass zu einem weiteren Bildband über Oelsner "Licht, Luft und Farbe für Altona an der Elbe", der neue Quellen erschließt und einige bis dahin unveröffentlichte Fotos zeigt. Anleitung zu Erkundungstouren auf Oelsners Spuren gibt der handliche Bildband "Altonaer Bausenator 1924-1933: ein architektonischer Stadtrundgang".
Quellen und Literatur zum Thema in der VHG-Bibliothek:
Neues Altona 1919 - 1929. Zehn Jahre Aufbau einer deutschen Großstadt. 2 Bde, Paul Th. Hoffmann, Jena 1929.
A XV / 071
Gustav Oelsner. Porträt eines Baumeisters, hg. von Erich Lüth, Hamburg 1960.
A IX 1 / 198
Gustav Oelsner und das Neue Altona. Kommunale Architektur und Stadtplanung in der Weimarer Republik, Christoph Timm, Hamburg 1984.
A XV / 201
Gustav Oelsner. Stadtplaner und Architekt der Moderne, hg. von Burcu Dogramaci, Hamburg 2008.
A XV / 203
Der Architekt Gustav Oelsner. Licht, Luft und Farbe für Altona an der Elbe, Peter Michelis, München 2008.
A.XV / 203a
Gustav Oelsner. Altonaer Bausenator 1924-1933. Ein architektonischer Stadtrundgang, hg. von der Gustav-Oelsner-Gesellschaft für Architektur und Städtebau e.V., Hamburg 2006.
A XV /202
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