Griff in die Geschichte (33) 

Die Anfänge einer freien Presse in Hamburg vor 75 Jahren

 

von Lilja Schopka-Brasch

 

Im Frühjahr 1946 nahmen die ersten Zeitungsredaktionen unter deutscher Leitung in Hamburg ihre Arbeit auf. Mit Lizenz der britischen Militärregierung erschien am 21. Februar erstmals die überparteiliche Wochenzeitung „Die Zeit“. Im April folgten die so genannten Parteirichtungszeitungen, die jeweils den vier Parteien nahestanden: das „Hamburger Echo“ der SPD, die „Hamburger Allgemeine Zeitung“ der CDU, die „Hamburger Freie Presse“ der FDP und die „Hamburger Volkszeitung“ der KPD.

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Mit dem Einmarsch der britischen Truppen in Hamburg am 3. Mai 1945 war ein Gesetz der Alliierten in Kraft getreten, demzufolge alle medien- und kulturpolitischen Einrichtungen mit sofortiger Wirkung ihre Tätigkeit einstellen mussten. Praktisch betraf das den Rundfunk, denn die einzige in Hamburg noch existierende Zeitung, die „Hamburger Zeitung“, war am 30. April 1945 zum letzten Mal erschienen. Der „Reichssender Hamburg“ ging noch am Tag der Kapitulation Hamburgs auf Sendung, um die Bevölkerung aufzufordern, zu Hause zu bleiben und Ruhe zu bewahren. Bereits am nächsten Tag wurde wieder Radio gesendet, nun unter britischer Aufsicht. Wenige Tage später erschien auch die erste Zeitung der britischen Militärregierung, das „Hamburger Nachrichtenblatt“.

Erklärtes Ziel alliierter Deutschlandpolitik war der Aufbau einer freien deutschen Presse, die eine Demokratie-Erziehung der deutschen Bevölkerung fördern sollte, indem sie zu einer ungehinderten öffentlichen Meinungsbildung beitrug. In allen Besatzungszonen wurden Zeitungen unter deutscher Leitung nur mit Lizenz zugelassen, die an strenge Auflagen gebunden war. Zeitungen, die während der NS-Zeit erschienen waren, wurden nicht wieder zugelassen. Personen, die für diese Zeitungen gearbeitet, sie herausgegeben oder verlegt hatten, erhielten keine Zeitungslizenz. Zu den Lizenznehmern gehörten ausschließlich Männer und auch die Redaktionen waren eine Männerwelt, in der die Redakteurin und spätere Chefredakteurin der „Zeit“, Dr. Marion Gräfin von Dönhoff, lange eine Ausnahme blieb.

Der Gestaltungsspielraum der Lizenznehmer – Herausgeber, Verleger und Chefredakteure – war anfangs gering. Für alle fünf Lizenzzeitungen galten dieselben restriktiven Bedingungen. So durften die Grundsätze alliierter Deutschlandpolitik und die der britischen Militärregierung nicht kritisiert werden. Nachrichten mussten tatsachengetreu und objektiv übermittelt werden, Nachricht und Meinung durften nicht vermischt werden und über Weltpolitisches, Regionales und Überregionales sollte in ausgewogenem Verhältnis berichtet werden. Die Parteirichtungszeitungen sollten auch über Aktivitäten und Stellungnahmen der anderen Parteien berichten.

Festgelegt waren auch Auflagenhöhe, Umfang, Preis, der Anteil von Anzeigen sowie die Verbreitungsgebiete. Die herrschende Papierknappheit führte dazu, dass jede Zeitung zunächst nur vier Seiten zugewiesen bekam und die als Tageszeitungen angelegten Parteirichtungszeitungen nur zweimal wöchentlich erscheinen konnten. Die Auflagenhöhe wurde unterschiedlich festgesetzt. So erhielt das sozialdemokratische „Hamburger Echo“ die höchste Auflage, die kommunistische „Hamburger Volkszeitung“ die niedrigste. Auch wenn das „Hamburger Echo“ und die „Hamburger Volkszeitung“, beide 1933 verboten, bei ihrer Wiederzulassung eine günstigere Ausgangslage hatten, da sie auf bewährte Mitarbeiter und eine Stammleserschaft zurückgreifen konnten, fanden alle Zeitungen reißenden Absatz. Ein Grund dafür war das Bedürfnis der Bevölkerung nach Nachrichten und Informationen, ein anderer, pragmatischer, der Papiermangel. So gab es großen Bedarf an Einwickelpapier, etwa für Fisch, aber auch zum Einkleben in scheibenlose Fensterrahmen.

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Ebenfalls im April 1946 erschien eine weitere Zeitung, „Die Welt“. Diese nahm eine Sonderstellung ein, da ihre Redaktion zwar mit deutschen Journalisten besetzt war, herausgegeben wurde sie aber von der britischen Kontrollkommission. Konzipiert worden war sie auf Veranlassung der britischen Militärregierung von den Redakteuren der „Zeit“ und sollte als „Modellzeitung“ Vorbildfunktion für andere Zeitungen haben. Sie war überparteilich und in der gesamten britischen Besatzungszone erhältlich.

Zur Etablierung einer freien Presse ergriff die britische Militärregierung eine Reihe
flankierender Maßnahmen. Dazu gehörten der Aufbau eines deutschen Nachrichtendienstes, die Zulassung der Berufsvereinigung Hamburger Journalisten im November 1945 und die Einrichtung des Hamburger Presseausschusses im Frühjahr 1948. Die britische Militärregierung bestimmte die Rahmenbedingungen der Presse, legte aber die praktische Umsetzung zunehmend in deutsche Hände. So erhielt der Hamburger Senat 1948 das Recht, Vorlizenzen zu vergeben, die nach einer vierwöchigen Einspruchsfrist seitens des britischen Regionalkommissars endgültig wurden. Der Hamburger Presseausschuss hatte dabei eine beratende Funktion und sollte eine Empfehlung zur Lizenzvergabe aussprechen. Darüber hinaus oblag es ihm auch, die Einhaltung der Lizenzauflagen zu überwachen. Die erste Zeitungslizenz erteilte der Hamburger Senat im Juli 1948 für das „Hamburger Abendblatt“ an Axel Springer. Als letzte Zeitung erhielt die „Hamburger Morgenpost“ im September 1949 eine Lizenz. Wenige Tage später endete die Lizenzpflicht mit der Anerkennung des Grundgesetzes und der damit gewährleisteten Pressefreiheit durch die westlichen Alliierten. Eine freie, demokratische Presse lag nun allein in deutscher Verantwortung.

 

Veröffentlichungen zum Thema in unserer Bibliothek:

 

Daniel A. Gossel: Die Hamburger Presse nach dem Zweiten Weltkrieg. Neuanfang unter britischer Besatzungsherrschaft, hrsg. v. Verein für Hamburgische Geschichte, Bd. 45. Hamburg 1993.
A.I.2 / 8.45

 

Michael Ahrens: Die Briten in Hamburg. Besatzerleben 1945 -1958, hrsg. v. d. Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg, 23. Hamburg 2011.
A.III.4.i / 45

 

Presseschau: 400 Jahre Zeitungen in Hamburg. Dokumentation der Ausstellung vom 11. bis 25. Januar 2006, Ausstellungskoord. Kristina Vogt. Publikation des Vereins Deutsches Pressemuseum Hamburg. Hamburg 2006.
A.XI.8 /3

 

Christian Haase und Axel Schildt (Hg.): „Die Zeit“ und die Bonner Republik. Eine meinungsbildende Wochenzeitung zwischen Wiederbewaffnung und Wiedervereinigung. Göttingen 2008.
A.XI.8 / 16

 

Erich Verg: Vierzig Jahre Hamburger Abendblatt. Eine Stadt und ihre Zeitung. Hamburg 1988.
A.XI.8 / 28

 

Christine Reuter: Die „Hamburger Freie Presse“. Das Lizenzsystem und der Wiederaufbau der Presse in Hamburg am Beispiel der Parteirichtungszeitung der FDP (1946-1952). Hamburg 1983.
A.XI.8 / 60

 

Erich Lüth: Zeitungsstadt Hamburg. Hamburg 1962.
A.XI.8 / 105

 

Charlotte Ueckert: Hamburgerinnen. Eine Frauengeschichte der Stadt. Hamburg 2008.
A.XIV.1 / 012

 

Alfred Frankenfeld: Zum Sehen geboren. Ein Leben für Presse und Parlament. Hamburg 1973.
A.XIV.2 / 461

 

Erich Lüth: Erich Klabunde. Journalist und Politiker der ersten Stunde. Hamburg 1971.
A.XIV. 2 / 903

 

 

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