Griff in die Geschichte (22)
Hans Henny Jahnn
von Charlotte Wilken
Hans Henny Jahnn – geboren als Hans Jahn, aber bekannt unter dem Namen, den er sich selber gegeben hat –, ist nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Orgelbauer von Bedeutung.
Wenn man heute sein Grab auf dem Friedhof Nienstedten besucht, sieht man eine verwahrloste Grabstätte.
Drei große Grabplatten befinden sich dort, in die erste ist ein Text eingraviert, der für einen Ungeübten (d.h. jetzt auch für mich) nicht zu entziffern ist, auf der zweiten (der mittleren) ist der Name zu lesen: Hans Henny Jahnn. Auf der dritten steht der Name seiner Frau: Ellinor Jahnn, geborene Philips, 1893-1970.
Hans Henny Jahnn hatte den Wunsch, neben seinem langjährigen Freund und Partner, Gottlieb Friedrich Harms, beerdigt zu werden. Dass das Grab neben ihm das von Harms ist, lässt sich nur durch eine Nachfrage bei der Friedhofsverwaltung ermitteln, kein Grabstein ist mehr auf dem verunkrauteten Grab zu finden.
Hans Jahn wurde am 17. Dezember 1894 – vor 125 Jahren – in Stellingen geboren. Auch sein Todestag jährt sich in diesem Jahr: Vor 70 Jahren, am 29. November 1959, starb er in Hamburg. Sein Geburtsort Stellingen gehört erst ab 1937 zu Hamburg.
Erst später schrieb er seinen Nachnamen „Jahnn“ mit zwei „nn“ und ergänzte einen zweiten Vornamen „Henny“. Mit dem weiblichen Vornamen „Henny“ redeten ihn seine Freunde an.
Das Elternhaus war kleinbürgerlich, der Vater war Schiffszimmermann und arbeitete als Angestellter in der Werft des Vaters (später seines Bruders). Jahnn besaß als Kind zahlreiche Modellschiffe. Schon als Kind beeindruckte ihn die Elbe. Das Wasser und die Elbe scheinen Jahnn mehr bedeutet zu haben als die Stadt Hamburg, obgleich er in der Schule Osterstraße in Eimsbüttel eingeschult worden war und später die reformierte Realschule St. Pauli besuchte. So schreibt Jahnn in dem Nachwort zu dem Sammelband „Herrliches Hamburg“: „Die von Schiffahrt und Handel geprägte Stadt neigt dazu, schöpferische Menschen zu verletzen“.
Homoerotische Neigungen entwickelte Jahnn schon sehr früh. Rückblickend beschreibt er sich als Jugendlichen während der Pubertät als „vollkommen exaltierten Menschen“. Er war und blieb Autodidakt, da er im Elternhaus keinerlei Anregungen für eine literarische Beschäftigung fand.
In Gottlieb Friedrich Harms, der ein Jahr älter war, fand er endlich einen Freund. Es entstand eine intensive Freundschaft, die bis zum Tod von Harms im Jahr 1931 anhielt. Sein Wunsch war, neben Harms begraben zu werden. Jahnn versuchte 1913 vergeblich, seinen Freud zur gemeinsamen Flucht nach Island zu bewegen. Als die beiden sich dann endlich zu einer gemeinsamen Flucht entschlossen hatten, endete diese durch eine schwere Erkrankung von Harms.
Bereits zur damaligen Zeit schrieb Jahnn Dramen und Romane, von denen jedoch nicht alle erhalten geblieben sind.
Einer Einberufung als Soldat im ersten Weltkrieg entzogen sich Jahnn und Harms durch einen gemeinsamen Aufenthalt in Norwegen.
Nach dem ersten Weltkrieg, nun wieder in Deutschland, begann Jahnn sich einer weiteren Leidenschaft zu widmen: Den Orgeln. Bereits in Norwegen setzte er sich mit Orgelbau auseinander, blieb aber auch als Schriftsteller aktiv. 1919 erschien Jahnns erste Publikation, das Drama „Pastor Ephraim Magnus“, für das er den Kleist-Preis erhielt.Nach seiner Rückkehr aus Norwegen gründete Jahnn die „Glaubensgemeinde Ugrino“, zu der viele seiner Freunde gehörten, ebenso wie seine spätere Ehefrau Ellinor. Die Sekte war sexuell freizügig, provozierend. Sie wollte so wild wie möglich erscheinen. Das Lebensgefühl, das sich hier ausdrückte, war durchaus zeittypisch und begleitete Jahnn bis zu seinem Tod.
1923 restaurierte er mit Harms zusammen die Orgel der St. Jakobi-Kirche. Deren Restaurierung setzte er gegen Bestrebungen durch, die Orgel durch eine neue zu ersetzen. Weiterhin hat er zwischen 1926 und 1931 die Orgel in der Aula der Heinrich-Hertz-Schule errichtet. 1931-1933 war er amtlicher Orgelsachverständiger in Hamburg.
Inzwischen hatte er 1926 Ellinor Philipps geheiratet, mit der er zusammen mit Harms und dessen Ehefrau in Winterhude lebte. 1929 wurde seine Tochter Signe geboren.
Angesichts der drohenden Gefahr des Nationalsozialismus engagierte er sich in der „Radikal-Demokratischen Partei“ und hielt Reden gegen Rassismus und Kriegstreiberei.
Die Zeit von 1933 bis 1945 verbrachte Jahnn zunächst in der Schweiz und ab 1934 auf der Insel Bornholm, wo er für sein Mündel, den Sohn seines verstorbenen Freundes Harms, Eduard, einen Hof kaufte und dort mit seiner Frau Ellinor, der Tochter Signe und Eduard lebte.
1950 kehrte Jahnn dann endgültig nach Hamburg zurück und wurde im selben Jahr Gründungspräsident der Freien Akademie der Künste.
Sein Drama „Thomas Chatterton“ wurde 1957 unter der Regie von Gustav Gründgens in Hamburg uraufgeführt.
Jahnn mischt sich auch politisch ein: Am 17. April 1958 hielt er z.B. auf dem Hamburger Rathausmarkt im Rahmen der Aktion „Kampf dem Atomtod“ eine Rede. Am 29. November 1959 – vor 70 Jahren – starb Hans Henny Jahnn. Sein Sarg wurde nach seinen Vorstellungen, entsprechend den Grundsätzen von „Urgino“, gestaltet, ein schwerer Eichensarg, den die Träger mehrfach absetzen mussten.
Seine wichtigsten literarischen Werke seien hier kurz genannt:
Perrudja, 1929;
Die Trilogie: Fluß ohne Ufer, 1943-1945;
Die Nacht aus Blei, 1956;
Außerdem zahlreiche Theaterstücke.
Literatur zum Thema in der Bibliothek des VHG:
Hans Henny Jahnn: Nachwort. In: Herrliches Hamburg, hrsg. von Ralf Italiaander. Hamburg 1957.
A.II.1 / 034
Elsbeth Wolffheim: Hans Henny Jahnn mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlts Bildmonographien. Hamburg 1990.
A.XI.07.c / 96
Die Hans-Henny-Jahnn-Orgel in der ehemaligen Lichtwarkschule, jetzt Heinrich-Hertz-Schule. Hamburg 1991.
A.XI.03.c / 29
Zeitgenosse Hans Henny Jahnn. Hamburger Literaturtage. Veranstaltet von der Freien Akademie der Künste. Hamburg 1985.
A.XI.07.c / 004
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