Griff in die Geschichte (52)
120 Jahre neuer Dammtorbahnhof
von Margrit Paul
Vor 120 Jahren, am 7. Juni 1903, wurde der Dammtorbahnhof in Anwesenheit des deutschen Kaisers Wilhelm II. prunkvoll eröffnet. Der neue, auf einem Bahndamm errichtete kreuzungsfreie Durchgangsbahnhof, ersetzte den 1866 im Gründerzeitstil erbauten Bahnhof der Hamburg-Altonaer Verbindungsbahn, der auf der gegenüberliegenden Seite der Dammtorstraße gelegen war, und nach Fertigstellung des neuen Bahnhofs abgerissenen wurde. Die Verbindungsbahn sollte die Berliner Bahn mit der Kieler Bahn verbinden und führte von Altona über Dammtor zum Hauptbahnhof.
Das Empfangsgebäude des ersten Dammtorbahnhofs hatte auf der nördlichen Seite einen Bahnsteig. Die südliche Seite verfügte zudem über einen kleinen Vorplatz in Richtung Binnenalster - an dieser Stelle befindet sich heute das Cinemaxx-Kino. Für den Zug des Kaisers wurde am Durchgangsbahnhof ein Sondergleis gelegt und spezielle Fürstenräume im Erdgeschoss gebaut.
Der Neubau des „Kaiser“bahnhofs fiel in eine Zeit einer umfangreichen Umgestaltung des Hamburger Bahnnetzes mit seiner Vielzahl kleiner Endbahnhöfe, benannt und gelegen an ehemaligen Toren der Hamburger Stadtbefestigung. Das machte nicht nur das Reisen beschwerlich, sondern auch die in der Regel ebenerdig verlegten Gleise behinderten zunehmend den innerstädtischen Verkehrsfluss. Für den Bau des neuen Bahnhofs wurde die Verbindungsbahn-Strecke mit einem Damm sowie mit Überführungen hochgelegt. Im Frühsommer 1903 nahm der Bahnhof feierlich in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. seinen Betrieb auf und wurde danach noch lange „Kaiserbahnhof“ genannt.
Der im Jugendstil nach Plänen des Architekten Ernst Moeller erbaute, unter Denkmalschutz stehende Bahnhof im Stadtteil Rotherbaum wurde zwischen 1999 - 2002 aufwändig restauriert nach Planung von Studio & Partners aus Mailand. Für die Detailplanung und Bauausführung zeichnete das Architekturbüro Stefan Rimpf. Die Bahnhofshalle wurde umgebaut und der Fernbahnsteig auf einer Länge von 200 m außerhalb des Hallenschiffs überdacht. Zusätzlich wurden Treppen im Bahnhof verlegt und ein weiterer Abgang am Fernbahnsteig Richtung Kongress-Zentrum errichtet. Seither steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Hamburgs schönster, nach Anzahl der Reisenden drittgrößter Bahnhof ist im engeren Sinn in Ermangelung von Weichen eigentlich nur ein „Haltepunkt“. 2006 wurde von der Allianz pro Schiene e.V., ein Bündnis zur Förderung des umweltfreundlichen und sicheren Schienenverkehrs, der Dammtorbahnhof als schönster Großstadtbahnhof ausgezeichnet. Der repräsentative Bahnhof hat öfters dem Empfang namhafter (monarchischer) Staatsgäste gedient, u.a. der Königinnen Großbritanniens, Dänemarks und der Niederlande.
Das „Dammthor“ war ursprünglich ein Hamburger Stadttor mit einem dazugehörigen Wehrturm (Isern Hinnerk). Das Stadttor war am westlichen Ufer des Damms über die Alster (heute Ecke Jungfernstieg/Neuer Jungfernstieg) gelegen. Beim Bau der Wallanlagen zur Befestigung der Stadt, wurde das Tor Anfang des 17. Jahrhundert an den (heutigen) Stephansplatz verlegt. Das Stadttor verband die Innenstadt mit den Dörfern des nördlichen Vorlandes, den jetzigen Stadtteilen Rotherbaum, Harvestehude, Eppendorf. Seit dem 18. Jahrhundert wurden die „Dammtorfriedhöfe“, die Friedhöfe der Hamburger Kirchspiele, vor dem Dammtor errichtet. Nach dem Ende der Besatzung der Stadt durch die Franzosen wurden die Befestigungsanlagen und 1817 auch das Dammtor abgerissen. Anstelle des gemauerten Tores wurde wie am Millern- bzw. Steintor eine „zeitgemäße“ Toranlage von Ludwig Wimmel gebaut und bis zur Aufhebung der Torsperre 1860 abends verschlossen.
An das ehemalige Stadttor „Dammthor“ erinnern neben dem Bahnhof auch noch die Strassen Dammtorwall (Innenseite der ehemaligen Stadtbefestigung) und die Dammtorstraße (ehemalige Zufahrtsstraße) zum Dammtor. Die Dammtorwache, erbaut 1878/79, ein kleines Gebäude zwischen Dammtordamm und dem Nordeingang der U-Bahn-Station Stephansplatz, diente nie als Torwache, sondern wurde als Polizeiwache errichtet und knapp hundert Jahre später unter Denkmalschutz gestellt und beherbergt heutzutage einen Gastronomiebetrieb.
Erwähnenswert sind noch Gedenkstätten und Mahnmale im unmittelbaren Umfeld vom Dammtorbahnhof:
Gedenkort für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz (2015 Volker Lang),
Gedenkstätte Kindertransporte 1938-1939 (2014 Frank Meisler),
Mahnmal gegen den Krieg (Alfred Hrdlicka 1986; von dem beabsichtigten vierteiligen Gegendenkmal zum "Kuöhl-Klotz" wurden allerdings nur der Hamburger Feuersturm und die Fluchtgruppe Cap Arcona realisiert.),
Kriegerdenkmal zum Andenken an Gefallene im 1. + 2. Weltkrieg (Richard Kuöhl 1936; Ehrenmal für das 2. Hanseat. Nr. 76 Infanterie Regiment Hamburg, „76er-Denkmal“).
Vom Dammtor-Bahnhof aus starteten die Transporte, die viele Hamburger Juden im Zweiten Weltkrieg in die Konzentrationslager brachten ...
Veröffentlichungen zum Thema in unserer Bibliothek:
Wilhelm Schwarz: But‘n Dammdoor: aus der Vergangenheit des hamburgischen Stadtteiles Harvestehude-Rotherbaum, Hamburg 1928
A.II.4.c / 158
Volker Plagemann: "Vaterstadt, Vaterland, schütz Dich Gott mit starker Hand". Denkmäler in Hamburg (Hamburg-Inventar; Bd. 2), Hamburg 1986
A.II.5 / 214
Carl Schellenberg: Das alte Hamburg. Eine Geschichte der Stadtentwicklung und Baukunst, Leipzig 1936
A.II.8 / 156
Jan Schröter: Hamburgs Bahnhöfe. Verkehrs-Tempel und Haltepunkte im Wandel, Hamburg 1994
A.VI.6 / 010
Dirk Meyhöfer: Bahnhofswelt. Bahnen und Bahnhöfe in Hamburg; Fotografien von Klaus Frahm, Heidelberg 1983
A.VI.6 / 134
Erich Staisch: Eisenbahnen rollen durch das "Tor zur Welt". Eine Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung der Eisenbahnanlagen Hamburgs,
Hamburg 1956
A.VI.6 / 171
Hamburgische Architektenkammer (Hg.): Architektur in Hamburg; Jahrbuch 2002, Hamburg 2002
A.IX.1 / 088
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