Griff in die Geschichte (34) 

Tiere, Märchen und Hamburgensien –
zum 150. Todestag von Otto Speckter

 

von Dominik Kloss

 

Am Ende sollten es wieder Katzen sein. Zu den letzten datierten Werken, die der Hamburger Zeichner, Lithograph und später auch Maler Otto Speckter anfertigte, gehörte in der zweiten Hälfte der 1860er Jahre eine Reihe kleiner Haustierstudien für das in Leipzig verlegte Familienblatt „Daheim“. Kurz vor seinem – sich in diesen Tagen zum 150. Mal jährenden – Tod am 29. April 1871 schloss sich damit in gewisser Weise ein Kreis, zeigte doch schon der erste überlieferte Steindruck, den der 15 Jahre junge Otto im Jahr 1823 als Probe im Lithographischen Unternehmen seines Vaters Johann Michael Speckter herstellte, bereits eine Katzenfamilie. Dazwischen spannt sich das umfangreiche Schaffen eines begabten Künstlers, der in mancherlei Hinsicht – und auch im wörtlichen Sinne – das Bildgedächtnis seiner Vaterstadt und auch den Verein für Hamburgische Geschichte prägen sollte.

gig33 Presse nach WK II 1Manche der mehreren Hundert Zeichnungen oder Radierungen, die Otto Speckter anfertigte und zumeist auch in der vom Vater 1834 übernommenen und bis 1852 betriebenen Firma Speckter & Co. zur Druckvorlage umarbeitete, mag man dabei gar nicht mit seinem Namen verknüpfen. Denn Sie finden sich in den Ausgaben von Schriftstellern wie Hans Christian Andersen, Klaus Groth, Theodor Storm oder Fritz Reuter, welche die Illustrierung Ihrer Werke zumeist persönlich und mitunter in fortdauernder Brieffreundschaft mit Otto Speckter aushandelten. Erfahrung mit den Sujets der gerade auch von Tieren belebten Märchen und Erzählungen hatte Speckter schon seit 1833 vorzuweisen, als er für die Bebilderung des nachmalig sehr populären Bändchens „Fünfzig Fabeln für Kinder“ von Pastor Wilhelm Hey gesorgt hatte.

Und im Haushalt Speckter gab es stets genügend passende Leser für diese Art von Literatur: Otto selbst war das mittlere von sieben Kindern und mit seiner ihm 1847 angetrauten Frau Maria Auguste, geborene Bergeest, sollte er wiederum vier Söhne und drei Töchter haben. Auch die Kunstbegeisterung war Familiensache. Die bedeutende (später den Grundstock für das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle bildende) Sammlung von Graphiken, die Ottos Vater im Jahr 1818 letztlich für die Steindruckerei verkaufte, war in den Jahren zuvor Inspirationsquelle für den Speckter’schen Nachwuchs. Namhafte Zeichenlehrer wie Gerdt Hardorff der Ältere und Siegfried Detlev Bendixen schulten darüber hinaus das Talent von Otto und seinem als begabter betrachteten Bruder Erwin, die mit weiteren Künstlernaturen, Carl Julius Milde und Julius Oldach, freundschaftlich verbunden waren. Der asthmatisch geplagte Erwin Speckter konnte die handwerklichen Früchte seiner Ausbildung in der Schweiz und in Italien zurück in Hamburg aber nur noch kurz umsetzen, ehe er 1835 nur 29-jährig verstarb. Zuvor hatte er noch mit der Ausschmückung des Abendroth’schen Hauses am Neuen Jungfernstieg mit Freskomalereien begonnen, die später – wie die Kupferstichsammlung des Vaters – in die Kunsthalle kamen.

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Der älteste Sohn von Otto Speckter wiederum, der 1848 geborene und schon 1888 verstorbene Hans, sollte ebenfalls als Maler reüssieren – und zwar als einer mit historischem Bewusstsein. Hans Speckter ist es nämlich zu verdanken, dass Hamburgs stadthistorisches Museum seinen heutigen Namen und teilweise auch seine bauliche Gestalt erhielt. In zwei Vorträgen im Januar 1884, vor dem Verein für Hamburgische Geschichte (am 7.1.) und vor dem Architekten- und Ingenieurverein (am 16.1.), entwarf er für das Areal, wo sich jetzt Hamburgs Zentraler Omnibusbahnhof befindet, einen Ausstellungsbau, dessen Fassade abrissbedrohte Speicher aus dem 17. Jahrhundert einbinden sollte – die heutige „Kaufmannsdiele“ lässt grüßen. Und betitelt war das Ganze – seiner Zeit um ein Vierteljahrhundert voraus – „Die Nothwendigkeit eines Museums für Hamburgische Geschichte“.

Vielleicht hat Hans Speckter nicht nur das zeichnerische Talent seines Vaters geerbt, sondern auch dessen Begeisterung für Hamburgs Altertümer. Die von Otto Speckter während des Großen Brandes im Mai 1842 in Sicherheit gebrachten Druckerpressen sollten bald wichtige Dienste bei dessen Bewältigung leisten. Stadtpläne des zerstörten Gebiets und eine Serie von Brandruinen dokumentierten schon wenige Tage darauf das Ausmaß der Zerstörung. Der in Flammen stehende Petri-Kirchturm, für dessen Rettung Speckter kurz zuvor noch selbst versucht hatte, Löscharbeiten zu organisieren, konnte wenigstens im Bild noch einen guten Zweck erfüllen – er schmückte als Vignette die unter anderem von Speckter entworfenen Dankesurkunden, die adlige Großspender für den Wiederaufbau Hamburgs erhielten. gig33 Presse nch WK II 2Vielleicht war es unter diesen Umständen kein Zufall, dass Stadtarchivar Johann Martin Lappenberg in den Folgejahren nicht selten auf die Expertise von Speckter & Co. zurückgriff, wenn es galt, Miniaturen des Hamburgischen Stadtrechts von 1497, die Lorichs‘sche Elbkarte von 1568 oder weitere frühneuzeitliche Stadtansichten publik zu machen.
Schon vor dem Großen Brand waren die sicherlich mit am bekanntesten Lithographien Otto Speckters entstanden: eine zwischen 1837 und 1840 entstandene Serie von sieben Blättern zum schulischen Lehr- und Pausenalltag (inklusive einer Schneeballschlacht) im und vor dem Alten Johanneum. Sie sind bis heute wertvolle Zeugnisse für die ansonsten kaum mehr fassbare (Innen-)Architektur des kurz darauf abgerissenen Klosters St. Johannis – aber ebenso auch für Hamburgs Kinderleben in diesen Jahren.

Das Wirken Otto Speckters als Porträtkünstler von etwa tausend seiner Hamburger Zeitgenossen oder im 1832 von ihm mitbegründeten Hamburger Künstlerverein ist dabei noch gar nicht angerissen worden, kann aber in unserer Vereinsbibliothek – wie natürlich auch die obigen Aspekte – anhand zahlreicher Veröffentlichungen weiter beleuchtet werden.

 

Veröffentlichungen zum Thema in unserer Bibliothek:

 

Braunfels, Veronika: Otto Speckter (1807 – 1871). Illustrator und Lithograph in Hamburg, Hamburg 1995 (Veröffentlichungen des VHG; Bd. 39).
A.I.2 / 184,39

 

Buek, Friedrich Georg: Wegweiser durch Hamburg und die umliegende Gegend. Eine statistische Uebersicht. Mit einem Plane der Stadt und 35. lithogr. Ansichten von O. Speckter, Hamburg 1836.
A.II.2.a / 024

 

Doose, Michael: Speckter-Fresken, hg. von der Kulturbehörde Hamburg – Denkmalschutzamt, Hamburg 1990 (Denkmalpflege Hamburg; Bd. 3).
A.IX.1 / 003.03

 

Falke, Gustav: Otto Speckters Vogelbuch. Mit Gedichten von Gustav Falke, Hamburg 1910.
A.XI.04.b / 112

 

Schapire, Rosa: Hans Speckter – ein Hamburger Maler 1848-1888. Mit einem Vorwort von Gisela Jaacks, Hamburg 2004.
A.XI.04.b / 114

 

Zwischen Poesie und Wirklichkeit. Erwin und Otto Speckter; Zwei Hamburger Künstler in der Nachfolge Runges / Ausstellung im BAT-Haus 18.11 - 30.12.1977, Hamburg 1977.
A.XI.04.b / 151

 

Ehmke, H. F.: Otto Speckter. Mit einer Bibliographie von Karl Hobrecker, 2 Bildnissen des Künstlers und 104 Ill. nach dessen Werken auf 64 Taf., Berlin 1920 (Furche-Kunstausgaben; Bd. 1).
A.XI.04.b / 152

 

Plattdeutsche Märchen, hg. v. Paul Zaunert, mit Ill. von Otto Speckter, Jena 1925.
A.XIII.5 / 049

 

Speckter, Maria Auguste: Familienchronik Speckter. Für die Kinder von Otto Speckter niedergeschrieben von seiner Frau Maria Auguste Speckter geb. Bergeest, Hamburg 1964.
A.XIV.2 / 1556

 

 

 

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